Dienstag, 8. Dezember 2009

Them Crooked Vultures, 07.12.2009, Columbiahalle Berlin

Achtung, das wird ein langer Eintrag.
Es gibt Konzertabende, die vergisst man niemals. Mein erstes KISS-Konzert z.B. in der Deutschlandhalle damals. Vor einigen Jahren ein Endfuffziger David Bowie, der uns nach fast drei Stunden Show in der Max-Schmeling-Halle völlig ausgepowert entließ und selbst völlig munter von der Bühne ging, während wir aus der Halle krochen, oder R.E.M. 2001 auf der Kölner Domplatte. Dann auch noch mein erstes QOTSA-Konzert 2001 oder Aerosmith Anfang der 90er. Das sind Konzerterlebnisse, an die man sich auch nach Jahren fast noch minutiös und vor allem gerne erinnert.


Them Crooked Vultures - die Supergroup bestehend aus Led Zeppelins John Paul Jones (Bass), Foo Fighters' (und Nirvanas) Dave Grohl (Drums) und QOTSAs Josh Homme (Gitarre/Gesang) spielten gestern in Berlin, nur wenige deutsche Auftritte waren den Fans auf der Europatournee vergönnt. Supergroup - ein Begriff, der bei mir immer leichte Irritationen auslöst, weil das Risiko einer grandiosen Enttäuschung einfach sehr hoch ist. Gerade live hätte es zwei negative Möglichkeiten geben können: 1) die Megaegos der jeweiligen Musiker sorgen dafür, dass sie sich gegenseitig im Weg stehen und man ihre Darbietung höchstens als sperrig bezeichnen könnte, oder 2) der alles überbordende Respekt zweier Jungspunde (ich glaub, das kann man bei Grohl und Homme noch sagen) gegenüber einer Musikerlegende wie Jones wirkt wie eine Barriere, und sorgt dafür, dass die Musik nicht homogen wirkt.
Beide Sorgen waren unberechtigt. Gut, das zeigte sich sicherlich auch schon auf dem Mitte November erschienenen selbstbetitelten Album, auf welches ich in meinem November-Rückblick noch detailliert eingehen werde. Doch so sehr ich das TCV-Debüt auch liebe, bleibt natürlich immer die Frage, wie das alles live klingt. Beim ersten Durchhören des Silberlings ließ sich feststellen, dass insbesondere Josh Homme mit seinem QOTSA-Sound dem Dreiergespann deutlich den Stempel aufgedrückt hat, zudem wurde er von Grohl und Jones auch noch dazu verdammt, die Frontsau zu spielen, weil die anderen beiden sich zierten (hierzu gibts ein schönes Interview in der Jubliäumsausgabe der Visions). Jedoch bei dem gestrigen Live Konzert sah die Sache schon ein bisschen anders aus, die Songs hatten immer noch einen Hauch QOTSA am Leib, aber entwickelten sich doch zu etwas Eigenständigem, zu einem absolut perfekten Sound. Aber der Reihe nach.
Sweethead eröffneten den Abend, hierzu habe ich bereits etwas geschrieben. Nach einer kurzen Umbaupause kamen Dave Grohl, Josh Homme und John Paul Jones auf die Bühne und wurden komplettiert von dem Multiinstrumentalisten Alain Johannes, der manchem - wenn man wie ich QOTSA-Fan ist - vielleicht schon ein Begriff war. Noch ehe auch nur ein einziger Ton gespielt wurde, wurde die Band frenetisch vom Publikum gefeiert, locker zwei Minuten vergingen, "John Paul Jones"-Sprechchöre erklangen (nicht das einzige Mal an diesem Abend, übrigens wurde der Mann deswegen verlegen, um dann von Homme aufmunternd angelächelt zu werden - irgendwie niedlich), bis Homme sich fassungslos an die Menge wandte und nur noch sagen konnte "I love you". Man nahm seine Positionen ein und los gings mit "Nobody Loves Me & Neither Do I" - auch der Opener auf dem Album. Ein Stück, welches Bluesrock neu definiert und mit einem letzten Drittel aufwartet, welches insbesondere live einfach nur noch als geil zu beschreiben ist. Testosteron pur, Kerle-Beats, die Mädchen anmachen *lach*. Kann ich nicht anders beschreiben. Schon zu dem Zeitpunkt war die Halle am Kochen, und auch bei mir hoch oben auf der Galerie wurden Mähnen geschüttelt und entrückte Gesichter entdeckt. Weiter gings mit "Dead End Friends" und "Scumbag Blues". Der geneigte QOTSA-Freund weiß, dass Josh Homme zum einen auf der Bühne nicht sonderlich gesprächig ist und zum anderen nun nicht unbedingt mit einer der besten Live-Stimmen gesegnet ist, was auf CD häufig fast Crooner-mäßig rüberkommt, klingt live oftmals nach Falsett-Gesang. Bei dieser Art von Musik stört das aber nicht weiter. Viel faszinierender war die Tatsache, welcher Qualitätsunterschied zu anderen Bands an diesem Abend zu hören war. Mit den vier Männern auf der Bühne standen dort auch vier absolute Ausnahmetalente, die entweder ein Instrument perfekt beherrschten oder im Falle von beispielsweise Jones oder Johannes gleich mehrere, und die eine außergewöhnliche Musikalität besitzen. Die Klänge von der Bühne waren um vieles klarer, reifer und definierter als ich es von anderen Bands gewohnt bin - auch von früheren Konzerten der Queens of the Stone Age. Dave Grohl und John Paul Jones bildeten mit der Drums/Bass Rhythmsection einen perfekten Klangteppich, ich habe den Bass selten so deutlich herausgehört. Und Grohl ging auf sein Schlagzeug los, als wenns kein Morgen gäbe. Mein lieber Kollege, der gestern auch dabei war, sagte heute ganz richtig, dass er es einfach nur faszinierend fand, mit welchem Automatismus Grohl seine Drums prügelte und zwischendurch immer wieder das Mikro heran- und hinwegschob für seine  Background Vocals. Schneller als meine Augen es manchmal erfassen konnten. Alain Johannes ist eine coole Sau von Gitarrist, der sich zudem perfekt in jede Art von Musikerkonstellation einbringen kann und eigentlich immer ein Gewinn ist. Und Josh Homme - man kann sagen über ihn was man mag, ich halte ihn für einen der besten Gitarristen und Musiker der Gegenwart. Welche Töne dieser Mann seinem Instrument entlockt, das ist schon hohe Kunst, insbesondere da er mit seinen Riffs oftmals die eigentliche Melodie konterkariert, um dann aber wiederum zur Melodie zu singen. Und wenn dann mal 'ne Gitarrensaite reißt, dann hält man die beim Solo mit den Zähnen fest und spielt einfach weiter. Was also die musikalischen Fähigkeiten der Herren anbetrifft, war das gestern Abend ein absoluter Aha-Effekt.
Zur Atmosphäre lässt sich folgendes schreiben. Seit 2001 gehe ich regelmäßig zu allen QOTSA und Foo Fighters-Konzerten, natürlich habe ich LedZep nicht mehr live erlebt. Man sollte meinen, dass da gestern alte Hasen auf der Bühne standen, die schon alles gesehen und erlebt haben. Mitnichten (ich liebe dieses Wort)! Them Crooked Vultures spielte genauso auf, wie man es von einer jungen Band, die erst seit wenigen Monaten zusammengefunden hat, erwartet. Aufgeregt, glücklich, strahlend. Dass Grohl immer von einem Ohr zum anderen grinst, ist man ja mittlerweile gewohnt. Jones wirkte teilweise richtig schüchtern und versteckte sich gerne auf der linken Seite der Bühne hinter den Lautsprechern. Daher ist mir wohl bei Homme am deutlichsten der Unterschied zu den letzten QOTSA-Shows aufgefallen, die ich gesehen habe. Um nicht falsch verstanden zu werden - schlecht drauf hab ich den Mann noch nie live erlebt. Aber es ist schon lange her, dass man mitansehen konnte, wieviel Lust am Spielen er auf der Bühne hat und aus dem Grinsen nicht mehr heraus kam. Dass die vier (mit Johannes) noch nicht perfekt aufeinander eingespielt waren, konnte man daran erkennen, wie sehr sie auf der Bühne noch mit Blicken, Gesten und Worten miteinander kommunizieren mussten - immer begleitet von einem Lachen. Ohne Frage hatten sie großen Spaß miteinander. Und dass ich noch erleben durfte, wie Mr Homme seine Gitarre zur Seite legt, das Mikro greift, in der anderen Hand eine Zigarette und wie ein freundlicher Tanzbär altherrensalsamäßig hüftwackelnd über die Bühne schwebt und entspannt vor sich hinsingt und tanzt, hätte ich mir im Leben nicht träumen lassen. Findigere Leute haben zu dem Zeitpunkt diesen Moment sicher gefilmt, ich war einfach nur hin und weg - wie immer, wenn ich feststelle, dass die Menschen, denen ich zusehe und -höre mit größtem Vergnügen bei der Sache sind. Allein dieser Augenblick hat mir deutlich gezeigt, dass die Gründung von Them Crooked Vultures sicherlich nicht das Ende von QOTSA oder den Foos bedeutet, aber ganz bestimmt eine wichtige Etappe für die Musiker zu sein scheint, um den Kopf wieder frei zu bekommen und neu anzufangen. Dafür mein Respekt.
90 Minuten lang haben sie gespielt, alle Songs des aktuellen Albums sowie "Highway Man" in einer Qualität, wie man sie live nur selten zu hören bekommt. Die Bühne machten sie im wahrsten Sinne zu ihrem Spielplatz, einzelne Songs wurden in Jamsessions zu 8Minütern aufgeblasen, die Freude nahm mehr Raum ein als der gegenseitige Respekt. Und ich bin froh, dass ich sie jetzt live gesehen habe, da ich annehme, dass bei den späteren Konzerten dieser Supergroup (ein Begriff, mit dem ich mich jetzt anfreunden kann) dann auch irgendwie der Alltag Einzug hält. Die Berliner feierten die Band an dem Abend bis zum Schluss ausgelassen. Und soviele Crowdsurfer (das ging minütlich mit jeweils 1-2 Leuten) habe ich noch nie bei einer einzigen Show gesehen.
Ein Abend, den ich so schnell ganz sicher nicht vergessen werde.


Hier noch einige Fotos (man beachte bitte die synchrone Beinarbeit von Josh Homme und Alain Johannes), und auf der zweiten Seite gibt's die Setlist, die ein fleißiger User auf setlist.fm veröffentlicht hat.
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Zum Vergrößern natürlich anklicken!


Setlist, 07.12.09, Columbiahalle


No One Loves Me & Neither Do I
Dead End Friends
Scumbag Blues
Elephants
Highway One
New Fang
Gunman
Bandoliers
Mind Eraser, No Chaser
Caligulove
Interlude With The Ludes
Spinning in Daffodils
Reptiles
Warsaw Or The First Breath You Take After You Give Up


6 Kommentare

  1. ich kam aus hamburg um zu musik sehen und zu h�ren.
    was ich aber bekam, war eine erleuchtung!
    das die vier eigentlich nix falsch machen konnten, war mir nat�rlich vorher schon klar.
    aber was die da gestern abgeliefert haben war wirklich magisch, an energie und pr�senz einfach nicht zu �berbieten.
    was mir besonders gefiel:
    -alain johannes abgefahrenes blues-solo zischen zwei songs,
    -josh hommes geiles poser-getanze bei �interlude with ludes�,
    -jeder schlag von dave grohl,
    -die klaviereinlage von john paul johnes,
    -der sound
    -die lautst�rke
    -und ganz besonders das berliner publikum, f�r das ich mich nicht sch�men musste (wie so oft in hamburg geschehen). ordentlich gespringe, crowd-surfing, schieben und aber auch festhalten, gl�ckliche gesichter, mitsingen an stellen, wo ich es nie erwartet h�tte und zu guter letzt ein tosender applaus.
    danke TCV, danke berlin, danke jungs aus der 5. reihe!!!
    FETTFETTFETTFETT!!!
    ersma, lesley

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  2. hey super, vielen dank f�r den tollen kommentar. ich bin manchmal unsicher, ob einfach nur ich so euphorisch reagiere und da erleuchtung sehe, wo keine ist *lach*. neben mir oben standen auch einige leute, die echt von sonstwo angereist sind, um das konzert zu sehen, und die ebenso begeistert waren.
    genau, interlude with the ludes war das, ich hab den song in dem moment �berhaupt nicht zuordnen k�nnen, weil ich so fassungslos auf die b�hne gestarrt habe, als ich den v�llig enthemmten Josh Homme beobachtet hab. ich hab den mann schon so oft live erlebt, aber das war mal ne �berraschung.
    aber wenn ich mich an das hamburger publikum beim qotsa-konzert vor zwei jahren erinnere, dann brauchte man sich da auch nicht zu sch�men!

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  3. jaja, die hamburger... sie haben ja ihre lichten momente ;-)
    ich muss gestehen das ich zwar das treiben aller herren auf der b�hne schon lange verfolge, ich aber alle das erste mal live gesehen habe. vorher kein qotsa, kein foo/nirvana, kein ledzep (war ja klar, der fluch der sp�t gebohrenen), aber dieses konzert entsch�digt allemal!!!
    gr��e, lesley

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  4. *lach* ja der fluch der sp�tgeborenen.
    foo fighters live kann ich empfehlen (da hab ich im nov auch einen eintrag zum berliner konzert geschrieben), weil die zwar nicht so technisch perfekt spielen, aber einfach zwei stunden durchrocken, bis auch der letzte nassgeschwitzt ist, und weil dave grohl ab einem gewissen punkt nicht mehr aufh�rt zu erz�hlen.
    bei den queens steht dann wieder mehr das technische k�nnen im vordergrund und eine bisher immer spielfreudige band. also das kann man sich auch mal antun, wenn die mal wieder zusammen was rausbringen, was ja jetzt wohl noch ein bisschen dauern kann. vermutlich steht da erst ein nachfolger f�rs TCV-Deb�t in den L�den als ein neues QOTSA-Album.

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  5. Ja, wo bin ich blo�? Also, einen so sch�nen Kommentar zu einem Konzert hab' ick schon lange nich mehr gelesen! Gib mal was von Deinem Adrenalin zum Kicken r�ber! Gru�, Dank und Anerkennung daf�r!
    Pirxmann

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  6. oh danke sch�n!!!!
    Der Adrenalin-Pegel ist seit Dezember ja leider wieder etwas runter gegangen *lach*, aber an das Konzert denke ich immer noch gerne zur�ck und freue mich schon auf die QOTSA im August in Berlin.

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