Dienstag, 2. Juli 2013

ZZ Top (Support: Ben Miller Band), Zitadelle Spandau, Berlin, 01.07.2013

20130701, ZZ Top, Ben Miller Band, ZitadelleGut eine Woche nach dem nahezu perfekten Wüstenabend ging es gestern erneut in die Zitadelle Spandau. Diesmal hab ich mir einen langjährigen Traum erfüllt: Wenigstens einmmal wollte ich ZZ Top live sehen. Dabei bin ich jetzt kein Hardcorefan, aber Gott, ich liebe ihren Gitarrensound! Und irgendwann muss man den Tatsachen ins Auge sehen - die Männer werden nicht jünger, und jede Tour könnte die letzte sein, die sie sich antun wollen.

Und - ich hatte einen wirklich schönen Abend. Bin zwar erst spät in der Zitadelle angekommen - 5 Min. bevor die Vorband angefangen hat - dank diverser Bahnverspätungen, aber dadurch, dass ein etwas älteres Publikum vor Ort war, standen die Leute eigentlich eher locker verteilt, so dass ich mich noch entspannt bis nach vorne schieben konnte.

Um 19.00 Uhr kam zunächst der Support, die Ben Miller Band, auf die Bühne. Da stellte sich spontane Verknalltheit bei mir ein. Rein optisch denkt man zunächst, einem Hillbillie Klischee zu begegnen. In Hinterland-Slasher-Filmen ist das der Moment, wo man schnell Reißaus nimmt, um nicht als Gebärmaschine für Inzestfamilien zu enden (sorry, aber ich bin nun mal Fantasy Filmfest geprägt), in Wahrheit waren es aber drei hoch sympathische und vor allem unglaublich talentierte Musiker. Innerhalb von fünf Minuten war ich restlos begeistert. Sie spielen eine Mischung aus Country, Bluegrass und Bluesrock, das geht alles tierisch in die Beine - während die ruhigeren Stück die Seele berühren. Und ich bin wahrlich kein Countryfan.
Bei einem Publikum jenseits der 40 hat es den Vorteil, dass nicht jeder während des Supportsets mit seinem Handy oder anderen Ablenkungen beschäftigt ist, die Leute haben interessiert gelauscht und sich ebenso schnell von dem Lebenshunger der Band mitreißen lassen wie ich.

Nach einer relativ überschaubaren Umbaupause gings mit dem Hauptact weiter. Endlich. ZZ Top. Sie eröffneten mit "Got Me Under Pressure" und spielten nachfolgend eine abwechslungsreiche Mischung ihrer Songs, wenn ich doch auch ein paar der reinen Bluesstücke vermisst habe. Hätte gerne sowas wie "Shiek" gehört, der ihre Musikalität besser unter Beweis stellt als beispielsweise "Gimme All Your Lovin". Aber ich will nicht meckern. Die alten Herren haben abgeliefert. Seit über 30 Jahren spielen sie in Originalbesetzung und sind entsprechend eingespielt. Also spontane Aktionen darf man da nicht erwarten. Ich würde auch wetten, dass sie ihre Setlist während der Tour nicht einmal abändern. Hat ein bisschen was von texanischer Las Vegas Show auf der Bühne *lach* mit ihren Jackets mit Glitzerapplikationen - aber das ist halt auch ne andere Generation, fand ich okay. Auf jeden Fall holt Billy Gibbons immer noch jeden erdenklichen Ton aus seiner Gitarre heraus, für Gitarrenfans war das gestern Abend generell der Himmel.

Aber der tat sich dann nach einer Stunde auf. Wir hatten bis kurz vor 21.00 Uhr gutes Wetter, dann wurds schwarz und plötzlich sehr windig, und dann goss es auch schon aus Kübeln. Zu dem Zeitpunkt sind ZZ Top gerade in die Zugabepause gegangen.

Und ich nehme einfach an, dass man backstage beschlossen hat, dann "schnell fertig" zu werden, denn innerhalb kürzester Zeit war die Bühne nass, und über der Zitadelle blitzte und donnerte es recht heftig. Insofern sind ZZ Top nur noch für eine kurze Zugabe raus, und das wars dann schon. Tatsächlich, stand ich um 21.20 Uhr schon wieder an der Bushaltestelle vor der Zitadelle und war trotz Regenjacke klatschnass, der Regen kam so plötzlich und heftig, dass die Jacke nicht viel geholfen hat.
So großartig die Band war, es war halt etwas kurz. Andererseits verstehe ich aber natürlich die Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere auch unter dem Aspekt, dass es schwierig ist, mehrere tausend Leute von dem Festivalplatz durch das bekannte Nadelöhr zu schleusen, während ein Unwetter wütet.

Im Ganzen war's eine schöne Erfahrung, zwei gute Bands, und ein Publikum, welches altersmäßig zwischen 40 und 60 lag, was mich fast zu einem Küken machte, hab ich auch nicht so oft, diese Situation. Entsprechend lag eine gelöste Stimmung in der Luft, kein Drücken, Schieben, egoistisches Rumhüpfen /-pogen, sondern freundliche, entspannte Menschen, die zur Musik getanzt haben. Und wieder erstaunlich Frauen lastig. Muss dann immer schmunzeln, wenn ich am nächsten Tag im Büro davon berichte und dann erstaunte Gesichter sehe, die nicht glauben können, dass Frauen zu "solchen Bands" gehen, aber okay, in meinem neuen Büro bin ich eh umgeben von ignoranten Snobs, da darf das auch nicht mehr verwundern.

Eine Setlist hab ich nicht. Aber ein paar Livevideos. Nachfolgend zunächst ein mir unbekannter Titel von der Ben Miller Band - man achte bitte auf den unglaublichen Sound, den Doug Dicharry aus seinem Waschbrett rausholt.
Danach dann den ZZ Top Kultsong schlechthin. Viel Spaß.