Montag, 28. Dezember 2009

Rückblick 2009: November - Musik

Im November wird sich wohl so mancher Leser gefragt haben, was plötzlich auf meinem Blog los ist und wo die ganzen Konzertberichte herkommen. Dabei fing das alles ganz harmlos Ende Oktober mit Muse an. Die Karten für The Gossip und natürlich Them Crooked Vultures waren auch schon gesichert, da galt vor allem zunächst Vorfreude. Muse weckten in mir wieder die Freude an Live-Musik, so dass schnell noch die Karte für die Arctic Monkeys folgte. Und während ich noch so überlegte, ob ich mich am 05. November zum Mini-U2-Konzert ans Brandenburger Tor aufmachen sollte, welches im Rahmen der MTV European Music Awards stattfinden sollte, ratterte in meinem Browser in der Twitbin-Leiste plötzlich die Info durch, dass die Foo Fighters - ebenfalls anlässlich ihres Besuches bei den MTV Awards in Berlin - ein Überraschungskonzert spielen würden. Auf kleiner Bühne im kuscheligen Postbahnhof (auch als Fritz-Club bekannt) und für Ami-Rockband Verhältnisse fast geschenkten 30€. Das wars mir wert, abends an der einzigen Konzertkasse, die die (goldenen!) Karten vertickte, ewig in der nassen Kälte anzustehen. Die Show am 04.11. war dann auch einfach nur klasse, meine mich begleitende Kollegin ist nun Foo Fighters süchtig und die geschlagenen zwei Stunden, die wir berockt wurden, bildeten einen schönen Mitschnitt aus allen bekannten Foo Songs.
Vier Tage später ging es dann in die Arena zum Arctic Monkeys-Konzert, welches mich auch beeindruckt zurückließ, wenn ich auch ihren Support - die von mir sehr geliebten Eagles of Death Metal - spaßiger fand. Dann fand ich eine gute Entschuldigung für ein weiteres Konzert im November, nämlich den Geburtstag meiner Schwester, welche Billy Talent sehr mag. Prompt also Karte und mich als Begleitung verschenkt, so dass ich am 23.11. Zeuge wurde, wie Sänger Benjamin Kowalewicz Gefahr lief, noch live auf der Bühne von Gargamel eingesammelt zu werden. Nein, ein schönes Konzert, das mich von ihrer Musik echt überzeugt hat.
Den Vogel haben jedoch The Gossip im November abgeschossen, die eine absolut fantastische Show boten, mit einer Sängerin, die schon Halsschmerzen hatte, aber dennoch den ganzen Abend lang mit ihrer Traumstimme und ihrem Temperament die Leute unterhalten hat. Kann jedem nur raten, zum nächsten The Gossip Konzert zu gehen!
Also, tolle Musik, gute Stimmung, heftiges Mitsingen (inkl. Halsschmerzen hinterher) - was braucht man mehr? Hätte ich vorher im Lotto gewonnen, hätte es sicherlich auch noch Berichte zu Kasabian, Franz Ferdinand und Julian Plenti zu lesen gegeben, aber ich muss wohl kaum erwähnen, dass Tickets teuer sind.

Platten kamen natürlich auch raus im November. Robbie Williams brachte sein Comeback-Album "Reality Killed The Video Star" heraus - wie schon die Vorabsingle "Bodies" zeigte sich ein gealterter Robbie, und zwar nicht im positiven Sinne. Robbie Williams scheint jetzt schon die Musik machen zu wollen, zu der sich Phil Collins oder Elton John in ihren 50ern entschieden haben. Das ist schon ziemlich schade. Jetzt warte ich nur noch auf die endgültige Take That-Reunion, dann kann ich Robbie als interessanten Künstler endgültig abhaken. Snow Patrol brachten ebenfalls ein neues Album raus, aber auch bei ihnen macht sich allmählich Beliebigkeit breit, spannend ist das, was die Band bietet, nicht mehr wirklich.
Rammsteins Album "Liebe ist für alle da" wurde von der Prüfstelle indiziert, verantwortlich ist Ursula von der Leyen, die vor allem den Song "Ich tu dir weh" nebst Artwork in seiner S/M Darstellung für jugendgefährdend hält. Nun, Indizierungen waren nie ein Grund dafür, dass sich Alben nicht verkaufen, Rammstein hatten nach ihrem Pornovideo zu "Pussy" somit wieder ein paar weitere Provokationsschlagzeilen. Mich hat ja eher andere Musik interessiert:

biffyclyroBiffy Clyro brachten ihr mittlerweile fünftes Album raus. Die schottischen Rocker fielen mir das erste Mal vor knapp zwei Jahren als Support der Queens Of The Stone Age auf. Damals kaufte ich mir im Anschluss "Puzzle" mit dem Hammersong "Who's Got A Match" (und anderen natürlich). In ihre älteren Scheiben habe ich in der Zwischenzeit reingehört und kann nachvollziehen, warum Fans der ersten Stunde sich allmählich enttäuscht abwenden. Ihre Musik ist fraglos mainstreamiger geworden und hat einiges an Ecken und Kanten verloren. Waren ihren Songs zuvor etwas experimenteller und sperriger, so sind sie heute am besten als schnörkellos zu bezeichnen. Das muss aber nicht schlecht sein, wie "Only Revolutions" zeigt. Trockene Rocksongs mit guten Lyrics, dazu eingängige Melodien mit Ohrwurmcharakter und Refrains, die man nach zweimaligem Hören mitsingen kann. Dabei sollte man nicht unbedingt den Eröffnungssong "Captain" als Anspieler auswählen, denn dieser ist ungewohnt schwach für die Schotten und wirkt so unentschieden. Fängt an wie ein Fußball Hooligan Song, um dann einfach nur beliebig zu wirken. Aber "Mountains", "Booooom, Blast & Ruin" sind gute Vertreter trockenen aber massenkompatiblen Rocksounds. "The Golden Rule" hat zu Beginn fast Stonerrock-Charakter, um dann 1A an die Foo Fighters zu erinnern (und einen Tick James Bond Theme im letzten Drittel *g*). Überhaupt habe ich bei diesem Album häufig an die Foos denken müssen, d.h. an ihre Anfänge mit Alben wie "The Colour And The Shape". Wer also mit den Foos was anfangen kann, müsste eigentlich auch diese Biffy Clyro Scheibe mögen. Bei "Bubbles" hat Josh Homme mitgespielt, okay, das hätte ich jetzt aber nicht von selbst gemerkt, sondern habe das nachgelesen. "God & Satan" ist eine richtig schöne ruhige Songwriter-Nummer mit einem sehr hörenswerten Text. "Born On A Horse" ist mittlerweile einer meiner Lieblingstitel, rhythmische Popperle, bei der man automatisch mitwippt und die gute Laune versprüht. "Mountains" danach wirkt tatsächlich wie die perfekte Fortsetzung von "Born On A Horse", darf aber mit dem besseren Refrain aufwarten. Alles in allem ein gutes Album.

Sweethead1Ein bisschen spät habe ich erfahren, dass QOTSA (u.a.) Gitarrist Troy van Leeuwen schon im vergangenen Jahr mit der befreundeten Sängerin Serrina Sims sowie seinen Kumpels aus der Mark Lanegan Band Norm Block und Eddie Nappi die Band Sweethead gegründet hat. Die erste EP gabs in diesem Sommer mit der Single "Great Disruptors", die auch auf dem selbstbetitelten Album, welches im November erschien, eines meiner Lieblingstitel ist. Während Josh Homme leichte Probleme hat, in anderen Bandprojekten den QOTSA-Musikstil nicht durchzusetzen, erinnert bei dem Sweethead-Debüt kaum etwas an die große "Hauptband", sieht man mal von van Leeuwens Gitarrenkönnen ab. Beim ersten Hören habe ich mich noch leicht gewundert, warum Musiker, die es sich ganz offensichlich leisten können, ein perfekt produziertes Album abzuliefern, sich mit der teilweise recht schrammeligen Produktion, die eher an eine kleinere Garagenband erinnert, zufrieden geben. Mittlerweile weiß ich genau das zu schätzen. Sweethead klingen nicht wie The Next Big Thing aus dem QOTSA-Universum, sondern haben ein solides Rockalbum abgeliefert mit etlichen Popanleihen. Benannt haben sie sich nach einer B-Seite David Bowies, doch die heraushörbaren Einflüsse liegen bei einigen Titeln eher bei den Pretenders, ohne dass Serrina Sims eine ähnlich nervige Stimme hätte wie Chrissie Hynde. Nein, Sims klingt wie eine gute Mischung aus Brody Dalle, Courtney Love und PJ Harvey - und dafür, dass sie noch relativ frisch auf der Bühne steht, interpretiert sie die Songs recht selbstbewusst, als hätte sie seit Jahren nichts anderes gemacht. Neben dem groovenden "The Great Disruptors" überzeugt vor allem das wunderschöne, ruhige "Amazing Vanishing Contest", an dem wirklich alles stimmt. Der Opener "The Sting" ist ein trockener Rocker, "Turned Our Backs" lädt zum Pogen und Mitsingen ein, "P.I.G." braucht ein paar Durchläufe, ich mochte ihn erst, nachdem ich ihn live gehört habe. "Running Out" ist wieder sehr poppig geraten und lädt eher zum Zuhören, denn zum Rocken ein. Ansonsten würde ich noch "Other Side" als Anspieltipp empfehlen, bei dem Sims geradezu croont und der Refrain einen regelrecht ins Schwelgen bringt. Dagegen rockt "A.W.O.L." wieder garagenmäßig los. Auch ein guter Livesong im Übrigen. "The Last Evening" bildet dann den sehr ruhigen und melodischen Abschluss mit eingängigen Gitarrenparts und einer Serrina Sims, die mich da ein wenig an Juliette Lewis erinnert.
Sicherlich nicht perfekt, da ist definitiv Luft nach oben, aber man darf gespannt sein, was Sweethead noch so auf die Beine stellen. Mir gefällts bisher.

TCVJa, das verwundert jetzt niemanden oder? Natürlich darf in einem musikalischen Novemberrückblick das heiß ersehnte, selbstbetitelte Album von Them Crooked Vultures nicht fehlen. Ich hatte selten vor einer Veröffentlichung so undefinierte Erwartungen, soll heißen: ich erwartete keinen bestimmten Sound, sondern fühlte mich für alles offen, was da von den Herren Homme, Jones und Grohl kommen würde. So war ich beim ersten Anhören tatsächlich etwas irritiert: worauf habe ich eigentlich gewartet, wenn die Songs doch irgendwie alle klingen wie die QOTSA-Alben oder die Desert Sessions? Was ja nun per se nicht schlecht wäre, schließlich liebe ich diese Art von Musik. Aber wie so häufig täuschte der erste Eindruck. Natürlich hat Josh Homme dem Sound seinen Stempel aufgedrückt. Wer aber genau hinhört, kann die Einflüsse von Dave Grohl und John Paul Jones deutlich heraushören. Was mich am meisten an diesem Album fasziniert ist die Wucht der Songs, die klingen, als würden die Musiker auf Teufel komm raus drauf loshämmern, bei Anfängern kann sowas furchtbar schief gehen. Doch die drei sind einfach richtige Könner, Vollblutmusiker, die ihre Instrumente völlig beherrschen und somit ihre brachialen Rhythmen mit eleganten Melodien und raffinierten Arrangements verbinden. Hätte ich von keinem dieser Musiker vorher irgendetwas gehört, der Aha-Effekt beim zweiten Durchlauf des Albums wäre wie bei der ersten Muse-Platte, der ersten Nirvana-Scheibe oder eben der ersten QOTSA-Scheibe, das Gefühl, dass da jemand alle richtigen Knöpfe bei mir drückt und Musik spielt, die wie für meinen Geschmack gemacht zu sein scheint. Dabei ist dieses Album bisweilen sperrig, und einige Titel funktionieren live besser als auf dem Silberling. Ich gehe die einzelnen Titel mal durch:
Der Opener "Nobody Loves Me And Neither Do I" hat mich live im Dezember völlig umgepustet. Auch auf Platte ist das ein verdammt toller Einstiegssong. Der erste Teil ist ein staubtrockener Bluesrock, im letzten Drittel wird einem dann das Testosteron um die Ohren gehauen. Andere finden R'n'B sexy, ich das hier, insbesondere wenn ich den Bass im Bauch spüre!
"Mind Eraser No Chaser" habe ich einer Freundin und Foo Fighters Fan auf meine Jahresend-CD gebrannt, ich dachte, damit könnte sie bestimmt am ehesten leben, denn Dave Grohls Backgroundgesang und die Foo Breaks machen auch jeden Foo Fighters Fan glücklich, nett ist dann auch das Finale mit Tuba/Posaunen Klängen. "New Fang" gabs vorab als kostenlosen Download, Josh Homme singt hier klasse mit nem richtigen guten Flow, der Song lädt zum Tanzen ein, die leicht schräg-quietschenden Gitarren im Hintergrund machen Spaß. "Dead End Friends" ist für mich noch am ehesten auf diesem Album ein QOTSA-Song, der locker auf die "Songs For The Deaf" gepasst hätte, staubtrockender Sound, etwas sperriger, Hommes weiche Stimme konterkariert die Gitarrenriffs, und Bass/Drums bilden einen fetten Klangteppich. "Elephants" hat ganz zu Anfang sowas Aerosmith-mäßiges (also von früher mal...), aber wenn man unbedingt will, kann man auch ein bisschen Led Zeppelin Geschichte raushören. Wenn nach einer knappen Minute das Tempo rausgenommen wird und sich Herr Homme dann irgendwann bemüßigt fühlt, seinen Gesang beizusteuern, wird daraus ein leicht psychedelisch angehauchtes Stück, welches dann mit einer fast schon Stone Temple Pilots-artigen Bridge punktet. Ein knapp siebenminütiges Hammerstück, welches unterstreicht, was Homme im Visions-Interview gesagt hat: "Wir spielen so, wie andere es nicht können", das ist leider wahr, soviel Perfektion gepaart mit Spaß bringen sonst höchstens noch Muse oder Interpol. Dann wieder eine tanzbare Uptempo-Nummer mit "Scumbag-Blues", beim Live-Konzert habe ich diesen Effekte-Bass gesehen, mit dem John Paul Jones hier spielt - unglaublich groovend, die Drums hämmern im Hintergrund, und die Gitarre driftet in eine völlig andere Richtung, aber irgendwie passt doch alles zusammen. "Bandoliers" weckt anfangs Assoziationen an die Doors, traumhafte Gitarre, vermutlich das poppigste Stück auf dem Album. Bei "Reptiles" wollte man glaube ich mit aller Macht daran erinnern, dass sie ein ehemaliges Led Zeppelin-Mitglied an Bord haben - nicht nur ich habe da Anleihen aus "Kashmir" herausgehört, Hommes schrägste und beste Mikrophonarbeit bisher, eine Mischung aus hoch und tief, flüsternd, sprechend, grummelnd. Live ein Wahnsinnsstück, auf der Platte empfinde ich es auf Dauer als etwas anstrengend. "Interlude With The Ludes" ist so ein bisschen der Elvis auf Hawaii-Titel der Them Crooked Vultures, wahnsinnig schräg und ganz sicherlich nicht jedermanns Geschmack. Ich persönlich finde es witzig. Dieses Interlude ist allerdings auch wichtig, bevor es mit dem knapp 8minütigem "Warsaw or the First Breath You Take After You Give Up" wieder in die düsteren Gefilde geht, spätestens hier spürt man den tiefen Bass in allen Körperteilen. Langsam stampft dieses Monster vor sich hin, unterbrochen von einem melodiösen Tempowechsel, bis der Song ab der vierten Minute plötzlich im Laufe des Gitarrensolos ein irres Tempo aufnimmt, bis man unweigerlich anfängt, glücklich vor sich hin zu grinsen. Die letzten zwei Minuten wirken wie eine entspannte Jamsession, und als Hörer spürt man, dass sich da ein Team gebildet hat, das eine ähnliche Vorstellung von Musik teilt und in dem die Chemie zweifellos stimmt. "Caligulove" wartet mit einem fantastischen Orgelsolo von John Paul Jones auf, der Sound klingt etwas hallig, beim Refrain fragt man sich, ob Josh Homme vor hat, Barry Gibb stimmlich übertrumpfen zu wollen, und Taktgeber Grohl drischt den Titel munter voran. "Gunman" ist schlicht und einfach nur geil, vielleicht weil er so einen Touch Trent Reznor light in sich trägt, oder nein, "Hell Cat" von den Scorpions (ganz ganz früher Song) klingt hier in dem Rhythmus mit, dazu ordentlicher Harmoniegesang. Bei dem Rhythmus muss man sich einfach bewegen, da kann man nicht still sitzen. Hervorragende sieben Minuten zum Schluss bietet dann "Spinning in Daffodils" - bei dem Piano-Anfang dachte ich zunächst an sowas wie "Estranged" oder so von Guns'n'Roses, aber diese Assoziation schwindet natürlich bei dem ersten Auftauchen von Drums und Gitarre. Sphärische Klänge, Walzerrythmus, und schräge Laute, die klingen, als sei man im Warteraum zur Hölle angekommen und wartet, dass seine Nummer aufgerufen würde. Ein perfekter Abschluss. Neben Muse, Julian Plenti und The Gossip mit eines der besten Alben dieses Jahres, daran können auch die Veröffentlichungen im Dezember nichts ändern.

Links zum Eintrag
Schniefnase für Dave
Foo Fighters Konzert am 04.11.09
Arctic Monkeys Konzert am 08.11.09
Billy Talent Konzert am 23.11.09
The Gossip Konzert am 26.11.09
Rammstein Indizierung (SZ)

0 Kommentare

Kommentar veröffentlichen