Sonntag, 13. Dezember 2009

Rückblick 2009: Juni - Musik

Wie schon angekündigt war der Juni ein wohlklingender Monat, wenn auch die Singlecharts von den Daniel Schumachers, Ashley Tisdales und Miley Cyruses dieser Welt bevölkert wurden. Aber ein paar ziemlich gute Alben haben das Licht der Welt erblickt, so dass es mir schwer fällt, eine davon besonders herauszustellen. Sonic Youth brachten nach dreijähriger Abwesenheit ein neues Album heraus - "Eternal". Ohne auch nur reinzuhören, war es für mich Pflicht, dieses sofort zu kaufen, nur um dann enttäuscht festzustellen, dass ich mit ihrer Musik irgendwie nichts mehr anfangen kann. Mir wars zu sperrig, und über Noiserock scheine ich nun endgültig hinweg zu sein.

kasabianGleich zu Beginn des Juni veröffentlichten Kasabian ihr drittes Studioalbum "The West Ryder Pauper Lunatic Asylum". Der Titel wurde der ersten psychiatrischen Klinik für Arme Großbritanniens in Stanley, West Yorkshire, entnommen.
Der Ordnung halber sollte ich hinzufügen, dass ich von der Veröffentlichung der Scheibe erst viel später etwas mitbekommen habe, aber erschienen ist das Teil nunmal im Juni, insofern gehörts auch zu den Platten des Monats Juni. Kasabian haben es ja irgendwie auf Dauer geschafft, Indie zu bleiben und trotzdem Scheiben herauszubringen, auf denen sich immer wieder Songs befinden, die den Massengeschmack treffen können. Beispielsweise "Where Did All The Love Go?" - einer meiner Favoriten - hat eine solche Ohrwurmmelodie, dass es schwer ist, den Titel zu vergessen, wenn man ihn nur einmal gehört hat. Die Bandbreite an Sounds, Samples und Instrumenten, die bei Kasabian zum Einsatz kommen, sorgen dafür, dass jeder Song auf dem Album unterschiedlich klingt. Besagter "Where Did ..." wirkt zur Mitte hin, als hätten da arabische Klänge Einzug gehalten. "Underdog" ist ein 1A Rocksong mit eingängiger Musik und simplen aber effektiven Gitarrenriffs. "Fast Fuse" klingt nach richtig schmutzigem Garagenrock mit Sixties-Einflüssen, "Take Aim" braucht seine Zeit, bis er richtig wirkt, besitzt aber so einen Breitwandeffekt, dass man sich fragt, für welchen Film er wohl als Score herhalten würden. Der Gesang von Tom Meighan klingt gelangweilt, passt aber zu der Mischung aus Rock, Elektro und Italo-Western Style. Italowestern-Klänge hört man überhaupt des öfteren auf diesem Album, so auch bei "West Ryder Silver Bullet" (ft. Rosario Dawson), der zu Anfang auch locker von Calexico hätte stammen können. Doch auch fette Beatles-Anleihen wie beispielsweise bei "Thick As Thieves", welcher irgendwie auch noch Surfpop unterbringen kann, gehören zum Kasabian-Repertoire. Damit wären die Anspieltipps genannt, "The West Ryder Pauper Lunatic Asylum" gehört definitiv zu den Alben des Jahres 2009!

thegossipDie Monatsmitte wurde versüßt mit "Music for Men" von The Gossip. Und das kann man wörtlich nehmen. "MfM" ist eines der wenigen Alben 2009, welches mich sofort beim ersten Mal hören komplett gefesselt und überzeugt hat. Ich hatte noch eine vage Erinnerung an Gossips Vorgängeralbum "Standing In The Way of Control" und wusste, dass mir vor allem der damalige Titelsong gut gefallen hat, hatte aber bei der neuen CD nicht mit so einem Aha-Effekt gerechnet. Auch im späteren direkten Vergleich der beiden Alben lässt sich nur feststellen, dass sich The Gossip enorm weiterentwickelt haben. In den Medien lag das Hauptaugenmerk auf Beth Ditto, die mit ihrer Rubensfigur und dem Lesbenbekenntnis zu einer Art Gallionsfigur für Dicke und Lesben mutierte und wo es besonders erwähnenswert war, dass Karl Lagerfeld sie zu seiner Muse ernannte und sie mit Kate Moss um die Häuser zog. Nun ja. Dabei geriet fast in Vergessenheit, dass Beth Ditto mitsamt ihrer Band verdammt musikalisch ist und die Dame über eine fantastische Stimme verfügt. Darüber hinaus ist dieses von Rick Rubin produzierte Album so vielfältig. Der bluesige Einstieg mit "Dimestore Diamond" hat außer Dittos Stimme so gut wie nichts mit der tanzbaren Hitsingle "Heavy Cross" gemeinsam. "Four Letter Words" wird von einem Klangteppich unterlegt, der an Depeche Modes "It's No Good" erinnert, "2012" erinnert an Blondie und einen Tick Pat Benatar, "8th Wonder" dagegen ist wieder punkrockig, da gehen Drums und Bass so richtig schön in Bauch und Beine. "Love Long Distance" gehört zu den schwächeren Songs des Album, wenn dies auch Jammern auf hohem Niveau ist, ich mag da letztlich nur den Refrain nicht wirklich, wobei mir allerdings der Text hierzu sehr gut gefällt. "Pop Goes The World" ist elektrolastiger und ein reiner Gute Laune-Song. "Vertical Rhythm" orientiert sich offenbar an das "Knight Rider"-Theme, jedoch wirkt es nicht wie ein billiger Abklatsch, sondern durchaus eigenständig und punktet mit einem energiegeladenen Refrain. In "For Keeps"  zeigt Ditto, wie hoch sie mit ihrer Stimme kommt und dass sie wirklich enorm gefühlvoll singen kann. Ich liebe diesen Song. Mit "Spare Me From The World" nimmt das Album dann ein extrem punkiges Ende. Insgesamt zeigen The Gossip auf "Men In Love" ihre ganze Bandbreite an musikalischem Können und werden es sicher schwer haben, dieses Ergebnis mit dem Nachfolger zu toppen. Und live überzeugen sie übrigens auch.

spinneretteEnde Juni dann kam die dritte Hammerplatte des Monats heraus: Spinnerettes selbstbetiteltes Debüt. Spinnerette ist das Nachfolgeprojekt von Distillers Frontfrau Brody Dalle. Nun mag man mir nachsagen, dass mir sowieso jeder musikalische Pups aus dem QOTSA-Josh Homme-Umfeld gefällt, doch ich glaube, ich kann da noch differenzieren. Die Distillers mochte ich zuvor schon richtig gerne, vor allem eben besonders Brody Dalles Stimme und ihre Art zu interpretieren, die man häufig nicht mit singen bescheiben kann. Nach ihrer Familiengründung mit Homme hatte ich schon die Befürchtung, so gar nichts mehr von ihr zu hören, bis die ersten Soundschnipsel von Spinnerette auftauchten. Die Vorabsingle "Baptized by Fire" hat mich etwas unschlüssig zurückgelassen - was waren das plötzlich für Electrosounds? Auch mit dem Album habe ich mich zunächst schwer getan, "Ghetto Love" und "Sex Bomb" kristallisierten sich schnell als Favoriten heraus, während ich den Rest recht sperrig fand. Bei "Ghetto Love" überzeugte mich die Tanzbarkeit, Dalles Gesang und der Hauch QOTSA-Gitarrensound, der da mitschwingt. "Sex Bomb" dagegen ist einfach so dermaßen bekloppt, dass man diesen schrägen Titel mögen muss. "All Babes Are Wolves" verfügt über einen richtig treibenden Beat, ein kleiner schmutziger Rocker, der dann auch wieder an die Distillers erinnert und Menschen glücklich macht, die schreiende Rockerinnen mögen. "Cupid" singt Dalle fast hypnotisch, während im Hintergrund Jack Irons massiv auf die Drums einschlägt, ein Widerspruch, der sich tief in den Gehörgang festsetzt. Mit "Geeking" kann ich dann nicht so viel anfangen, da will der Funke nicht überspringen. Und plötzlich - im Zusammenhang mit den anderen Titeln - hörte ich "Baptized By Fire" wie zum ersten Mal. Der Titel passt wie die Faust aufs Auge in dieses Album, und auch die Elektrobeats stören nicht mehr. Ich mag es, wie mit den jeweiligen Strophen der hymnenartige Refrain aufgebaut wird. Ein klasse Song. Bei "A Spectral Suspension" klingt Dalle fast sanft, um dann in einen rockigen Höhepunkt abzudriften, erneut mit leichten QOTSA-Anleihen. Hier macht sich übrigens auch bemerkbar, dass mit Jack Irons, Alain Johannes und Tony Bevilacqua Klassemusiker an Bord sind, die die Tempiwechsel der Songs gut rüberbringen. "Driving Song" ist auch genau das, würde ich noch Auto fahren, käme der  ohne Frage in meine Driving Playlist *g*. "Rebellious Palpitations" geht wieder treibend nach vorne und hätte auch auf "Coral Fang" erscheinen können. Und "The Walking Dead" ist einfach nur ein Traum von Song. Das Intro - ich nehme an von Alain Johannes gespielt, passt zu seinem Stil - winkt den Zuhörer rein in einen unglaublich entspannten tanzbaren Titel, an dem wirklich alles stimmt: Musik, Stimme, Text. Wenn mich Titel wie "Geeking", "Impaler" oder "Distorting A Code" auch  nicht völlig überzeugen konnten, bietet das Spinnerette-Debüt doch eine Vielzahl wirklich guter bis perfekter Songs, die von meinem iPod nicht mehr wegzudenken sind.

10 Kommentare

  1. Ich habe nat�rlich kaum noch Ahnung, mein Interesse an der Rock/Pop-Musik hat seit dem Aufkommen der Neuen Deutschen Welle stark abgenommen. Aber neugierig bin ich nat�rlich trotzdem: Neben der S�ngerin von Spinnerette an sich *r�usper* (ich meine jetzt nicht die Stimme) hat mir "A Spectral Suspension" richtig gut gefallen, auch "A Prescription For Mankind" werde ich mir merken, echt nicht �bel (PJ Harvey kam mir unwillk�rlich in den Sinn). Die einfach nur lauten und schnellen St�cke sind eher nicht so mein Fall, aber das ist ja Geschmacksache.

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  2. also kasabian und the gossip haben dieses jahr echt klasse alben produziert... den song "fire" von kasabian z�hl ich sogar zu einem der besten den die jungs je rausgebracht haben!
    bei spinnerette kann ich nicht wirklich mitreden... ich hab mir das album nur einmal angeh�rt und es wollte einfach nicht. aber ich geb der sache sich noch eine chance.

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  3. Ich hab bei Spinnerette auch einige Durchl�ufe gebraucht, bis ich es richtig gut fand.

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  4. *lach* Seit dem Aufkommen der NDW?? Wie, in den 80er? Mensch. Seither gab es so viel gute Musik!! Ja, PJ Harvey, stimmt, an die muss ich auch �fter denken, wenn ich Brody Dalles Stimme h�re.

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  5. Kasabian ist fett :) H�tte ich mir gern in M�nchen angeh�rt, hatte aber niemand der mitkommt...

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  6. Hier in Berlin waren sie auch, aber da hatte ich mein Konzertbudget schon ausgegeben *lach*.

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  7. Gestern kam nochmal der Woodstock-Film im TV - aaah, das ist Musik, Janis Joplin, was f�r ein dreckiger Blues! ... Mist, wo habe ich meine Corega Tabs nur wieder hingelegt ...

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  8. na, nu �bertreib mal nicht. Und Janis Joplin, die Doors und Co. werden auch immer gute Musik bleiben.

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  9. Stimmt, ich �bertreibe. Aber als ich gestern den Film sah, mu�te ich daran denken, da� die Woodstockteilnehmer, wenn sie in den 20ern waren, heute zwischen 60 und 70 Jahre alt sind. Aber soweit, da� ich in der Tageszeitung die Todesanzeigen nach bekannten Namen dursehe, ist es noch nicht. ;)

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  10. Na, das wird wohl auch noch ein Weilchen dauern.

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