Samstag, 26. Mai 2012

Ray's Guesthouse, 24.05.1012, Postbahnhof, Berlin

Zunächst: ich lebe noch. Aus Zeitnot bin ich gerade bei Facebook aktiver als hier, ich kanns momentan nicht ändern. Aber ein paar Worte zu einem fantastischen Donnerstag Abend muss ich natürlich loswerden.

Leute in meinem Alter können sich noch an glanzvolle MTV Zeiten erinnern, als der Sender auch bei uns noch in Englisch sendete und Leute vor der Kamera standen, die mehr waren als einfache Moderatoren.
Ray Cokes war so einer. Ob zunächst in "Ray's Request" oder im später ausschließlich auf ihn gemünzten "Most Wanted". Für mich war es damals tatsächlich Pflicht, am Montag Abend Ray Cokes einzuschalten, ganz gleich, was sonst in der Kiste lief.

Cokes war gleichermaßen Comedian, Fan, Musikjournalist, mir hat er überhaupt vernünftiges Englisch beigebracht (nach Schule und Ausbildung) und meinen Musikgeschmack erweitert. Bei ihm waren Superstars zu Gast und Künstler, die noch recht frisch und noch nicht im Mainstream angekommen waren. Und wenn er sich mit ihnen unterhalten hat, dann hat man wirklich etwas über die Leute erfahren oder sie in einer Art und Weise erlebt, wie man sie bisher nicht kannte - denn er war immer vorbereitet und konnte absolut jeder Situation durch seine Spontanität und Schlagfertigkeit etwas abgewinnen. Ray, Rob-The Kameran und Lovely Nina waren in den 90ern meine Helden dank "MTV's Most Wanted".

Als dann MTV Deutschland entstand und wir es mit diesen von Kärtchen ablesenden Hampelmännern zu tun bekamen (abgesehen von Christian Ulmen damals in "MTV's Hot"), war es für uns mit Ray Cokes vorbei.
Mittlerweile lebt Ray in Belgien und arbeitet - glaube ich - für einen französischen Sender, vom Hamburger Reeperbahn Festival gibt's seit 2009 die "Ray's Reeperbahn Revue" im Schmidt Theater.

Dieses Jahr hat er mehr oder minder in Eigenregie das "Ray's Guesthouse" auf die Beine gestellt, mit dem er in wenigen deutschen Städten auf Tour war. Sinn und Zweck der Übung ist es, neue Künstler vorzustellen, ein bisschen Personality Show und der Talk mit den musikalischen Gästen, alles in einem sehr familiären gemütlichen Rahmen, in dem die Künstler mitten im Publikum sitzen und Ray einfach auf seine typisch clowneske, hypersympathische Art das Publikum bei Laune hält. Ein Drehbuch gibts dabei nicht - bei Ray kann immer alles passieren.

Bei uns in Berlin waren folgende Acts zu Gast, die jeweils 2 Songs gespielt haben: Me and My Drummer, Admiral Black, Fiva und das Phantom Orchester, Plan B, Two Trick Pony und zuletzt die auf der gesamten Tour anwesenden Triggerfinger, die offenbar zu Rays Lieblingen gehören (kein Wunder) und gleich 3 Titel im Gepäck hatten.
Ich persönlich kannte keinen der erwähnten Künstler, bin aber von Me and My Drummer sehr begeistert gewesen, die Sängerin hat eine absolut fantastische Stimme, und bei den beiden Songs hatte ich richtig Gänsehaut. Fiva und ihr Phantom Orchester fand ich wahnsinnig charmant, und auch wenn ich nicht unbedingt auf diese Art Sprechgesang abfahre, die Songs haben gefallen. Fiva, die offenbar eigentlich Nina heißt, hat sich dann auch beworben, mit Ray an der Bingo Wall of Death (noch aus Most Wanted-Zeiten) zu spielen, um die 150 Euro zu gewinnen, über die sie sich am Ende dann auch tierisch gefreut hat. Tja. Brotlose Kunst, zumindest so lange man nur durch kleine Clubs tingelt.

Irritierend fand ich diesen hauchenden Iren Admiral Black, mittlerweile in Berlin lebend, den ich irgendwie überhaupt nicht ernst nehmen konnte. Plan B, die alten deutschen Punker, die nach 20 Jahren bei Ray nun ihren ersten öffentlichen Auftritt hatten und nun ihr Comeback feiern, waren zwar sehr sympathisch und insbesondere der Sänger im Talk mit Ray sehr mitteilsam (und der Bassist rockte auf der Bühne so herrlich asynchron zur Musik), aber musikalisch umgehauen hat mich das nicht.
Die dänische Frauencombo Two Trick Pony jedoch haben mir gut gefallen. Und die bekamen auch ein paar Sympathiepunkte mehr, weil sie gleich mit einer Gruppe von Hardcorefans aus Kopenhagen angereist sind, die dann während der beiden Songs direkt vor der Bühne standen (während wir in unseren Stuhlreihen saßen) und ihre Band anfeuerten. Wer so liebenswerte Fans hat, muss irgendwas richtig machen.
In dem Zusammenhang muss man auch die beiden Dänen erwähnen, die während der zweiten Hälfte der Show die Bar auf der Bühne "bedient" haben. Wie schon ihre Vorgänger in der ersten Showhälfte wurden sie von Ray persönlich aus dem Publikum ausgewählt, durften umsonst trinken und sollten vornehmlich die Künstler bedienen. Während das erste Pärchen aber kaum auffiel und hauptsächlich selbst trank, waren die beiden Dänen regelrechte Akkordarbeiter, die dann auch irgendwann das ganze Publikum bedient haben, und besonders der junge Typ wurde mehr und mehr zu Robs Sidekick, hatte sichtlich Spaß auf der Bühne hinter der kleinen Bar und zog mit seiner entspanntend Partylaune alle Blicke auf sich. Das war so nett, dass man irgendwann vergaß, wo man sitzt, sondern sich wie im eigenen Wohnzimmer unter Freunden fühlte. Ich mag Dänen. So.

Den musikalischen Abschluss bildeten die belgischen Bluesrocker Triggerfinger. Und bei denen hat sich sofort mindestens der halbe Postbahnhof gefragt, wie man diese geniale Band bisher nicht wahrnehmen konnte. Der Sänger mit einer unglaublich tollen Stimme, mal rockig tief und rauh, mal soft und streichelnd wie Chris Isaacs. Nicht nur mich hat deren Auftritt total geflashed, Freitag früh wurde gleich iTunes geplündert und am Ende ihres Minisets gabs Standing Ovations.

Und Ray? Der machte zwischendurch das, was er am besten kann. Witzig und spontan sein, Interaktion mit dem Publikum, immer sympathisch und liebenswert. Immer noch der Alte - und am Ende des Abends wünschte man sich, man könnte sich wenigstens ein Mal im Moment bei Ray einfinden und seine Lieblingsmusik hören.
Sehr angenehm fand ich übrigens die Tatsache, dass er sich scheinbar die Bands selbst zusammengesucht hat, so dass es da kein Schaulaufen irgendwelcher Labelhoschis gab, sondern im Publikum einfach nur ganz normale Fans saßen.

Hier ein kleiner Zusammenschnitt vom Berliner Abend.
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Tja, bitte mehr davon!!!
Und hier Triggerfinger mit der Single "I Follow Rivers".

12 Kommentare

  1. Spannend! Mir geht es genau wie dir, "Most Wanted" war bei mir Pflicht, und einmal bin ich sogar bis in die Sendung durchgekommen! (Was war ich aufgeregt!)

    Was f�r Unwissende vielleicht auch interessant sein k�nnte, ist, dass es ohne Ray Cokes keinen Stefan Raab g�be, dessen VIVA-Formate ("Vivasion" und vor allem sp�ter "Ma� kuck�n") schon seeehr von "Most Wanted," sagen wir mal, 'inspiriert' waren.

    Sch�n zu h�ren, dass Ray noch in Form ist und sich engagiert, Musik unter die Leute zu bringen!

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  2. Das stimmt allerdings, Ray Art, mit K�nstlern umzugehen und ihre Musik zu pr�sentieren, war bahnbrechend, da hat sich Raab einiges von abgeguckt, ohne jedoch so witzig und sympathisch r�berzukommen wie der Engl�nder.

    Ich finds sch�n, dass es solche Urgesteine noch gibt. Ich hoffe, dass dieses Konzept erfolgreich ist, und Cokes vielleicht 1x im Jahr so eine Tour startet. Das w�re schon sch�n.

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  3. Ray kenne sogar ich trotz meines K�ken-Status :). Cool, dass er immer noch so aktiv unterwegs ist!

    Musikfernsehen hab ich leider erst nach dem Abi richtig f�r mich entdeckt. Als Teenie empfand ich MTV und Viva als niveaulose Unterhaltung f�r Kiddos, die zu faul f�r B�cher oder gescheite Filme waren. Dabei gibt es da immer mal wieder tolle Konzertmitschnitte oder visuell interessante Musikvideos. Hm, vermutlich lag's an der unn�tig elit�ren Atmosph�re in meiner Schule. Dort bin ich prim�r mit Orchestermucke, Opern und Klavierkonzerten aufgewachsen.
    Hihi, das w�re f�r dich jenseits des allgemeinen Unterrichts vermutlich doppelte Folter gewesen xD.

    Oh, ich seh rechts unter last.fm grad die Asteroids Galaxy Tour bei dir. Eine Freundin von mir hat die letztens, glaub ich, in Heidelberg gesehen und war very begeistert. Hab's selbst leider nicht hingeschafft.

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  4. Ja, Ray ist gl�cklicherweise immer noch der alte, nur halt eben ein bisschen grauer :) Mir hat an dem Abend aber wirklich besonders gefallen, dass ich neue Bands in einem sehr entspannten Rahmen zu h�ren bekam, das hatte irgendwie was Pers�nliches. Sehr nett.
    Me and My Drummer h�re ich gerade und liebe deren Album schon nach dem ersten H�rdurchgang.

    Naja, und Triggerfinger - da hab ich jetzt �berall Alerts gesetzt, damit ich ja mitbekomme, wenn sie live in Berlin spielen.

    Auf die Asteroid Galaxy Tour hat mich CDW gebracht. Habe mir daraufhin ihr letztes Album aus dem vorigen Jahr bei iTunes geladen und bin schier begeistert. Das klingt als w�rden Sailor Moon und Barbarella gemeinsam Musik machen *lach*, wirklich sehr sehr geil.

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  5. Da w�re ich auch gern gewesen... Hat der Ray ja in der Harald Schmidt Show angek�ndigt, ist mir dann aber irgendwie entfallen...

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  6. ach, der war bei Schmidt? Das ist leider an mir vorbeigegangen. Aber es war ein wirklich lohnenswerter Abend.

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  7. Haha, das trifft den Stil der Band perfekt! Wundert mich nicht, dass CDW die auch mag :). Sound und Konzept find ich echt klasse, nur etwas schade, dass die S�ngerin stimmlich so d�nn ist (also bei Live-Performances in Studios oder Radiosendern. Will die Band aber auch selbst mal live sehen, wenn ich's hinkrieg.

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  8. ach, der war bei Schmidt? Das ist leider an mir vorbeigegangen. Aber es war ein wirklich lohnenswerter Abend.

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  9. perfekt abgemischt ist das ja gl�cklicherweise okay mit dieser Piepsstimme, aber live kann ich mir das auch schwierig vorstellen.

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  10. Sogar zwei Mal, gibt es bestimmt auf Youtube. War sehr lustig :)

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  11. muss ich gleich mal nachschauen. �ber Facebook war zu lesen, dass es vermutlich im Herbst nochmal einen Nachschlag gibt, ich hoffe ja, dass Berlin da wieder dabei ist.

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