Dienstag, 2. Januar 2007

Ärzte statt Böller

ÄrztestattBöller
Vorweg: Fotos vom Ärzte-Konzert wird's hier nicht geben, wir saßen ziemlich weit von der Bühne entfernt und waren, was die Sicht anbetrifft, eh auf die Leinwände angewiesen, die es glücklicherweise gab. Wer aber gerne Bilder sehen möchte, dem kann ich empfehlen, sich im Bademeisterblog oder auf Konzertjunkie rumzutreiben. Recht gute Mitschnitte des Konzerts gibt's übrigens auf Kill them all zum Download.

195 Minuten lang Spaß mit den Ärzten aus Berlin - das ist die Essenz des Silvesterabends. Angeblich das längste Konzert ihrer Karriere (lt. Bela), ich bin mir da nicht so sicher, die Drei-Stunden-Marke haben sie in Berlin auch schon getoppt.
Ganz ausverkauft war das RheinEnergie Stadion (ja, so heißt es heute, auch wenn Farin Urlaub sich ganz betont nicht von der Bezeichnung Müngersdorfer Stadion verabschieden wollte) nicht, da sind wohl einige Ebay-Schwarzhändler auf ihren überteuerten Karten sitzen geblieben, das sei ihnen hiermit ausdrücklich gegönnt.
Wie immer bei den Ärzten waren alle Altersgruppen vertreten, junge Familien feierten mit ihren Kindern auf diese Weise ins Neue Jahr und taten damit auch gleich was für die musikalische Bildung ihrer Sprösslinge. Der Ärzte-Fan an sich ist ein netter Mensch, manchmal etwas laut und gröhlig-veranlagt, tut aber keinem was und beißt nicht, insofern alles freundliche Menschen, mit denen man gerne gemeinsam abfeiert.
Im Vorfeld beglückte uns übrigens ein gewisser Stephan Langenberg mit einigen ausgewählten Ärzte-Stücken auf dem Akkordeon. Das war für zwei Songs lustig, für den Rest dann aber nicht mehr. Über den Möchtegern-Comedian, der zwischendurch versuchte, die Meute aufzuscheuchen, breite ich lieber den Mantel des Schweigens.
Die Fans, die schon Stunden früher da waren, wurden mit „Dinner for One" und „Bernd das Brot" unterhalten, hab ich mir sagen lassen.

So - nun aber zum Konzert:
Punkt 21.00 Uhr gings los, „Schrei nach Liebe" eröffnete die Silvestergala und zeigte gleich deutlich, wo der Hammer hängt. Die Ärzte in festlicher Stimmung, Bela B hat sich richtig schick gemacht mit weißer Fliege und weißer Schärpe (vermutlich um den kleinen Bauch zu verdecken *frechgrinst*). Bei einer Setlist von angegebenen 38 Songs (40 sind es dann geworden) mussten sie im Vorfeld sogar richtig proben, wie Farin stöhnte - allerdings nur einen Tag lang. Das merkte man ihnen auch an, zuweilen verspielten sie sich ein wenig, Bela verrechnete sich, als er an der ersten Fanreihe vorbeirannte, rief mehrfach „ich hab mich verkalkuliert" und bat Farin, noch ein bisschen zu improvisieren, bis er wieder zurück am Schlagzeug war. Farin musste sein Gitarrensolo von „Omaboy" gar zweimal spielen - demokratisch entschieden durch die Fans - und Bela sah die Schlagzeile schon vor sich „Die Ärzte retteten sich über die Zeit, indem sie ihre Lieder künstlich in die Länge zogen".
Dass Bela und Farin sich ganz besonders lieb haben, zeigte auch wieder mal ihr Geulke in Sachen „Heirat in Las Vegas", Bela gibt im Übrigen den weiblichen Part in der zu schließenden Ehe, vorsorglich wollte er auch schon das Schlagzeugpult mehr in die Nähe Farins schieben, da fehlte dem Herrn aber doch die Kraft. Überhaupt sind ihre Blödeleien immer wieder das Highlight jedes Ärzte-Konzerts, die Musik ist manchmal fast Nebensache. Viel schöner ist es doch, ihnen zu lauschen, wenn sie wie bei „Blumen" darüber diskutierten, ob die Exkremente mehr oder weniger stinken, wenn man sich vegetarisch ernährt, was dann darin gipfelte, dass Farin den Part am Schlagzeug übernehmen musste, weil Bela sich weigerte, weiterzuspielen :) und stattdessen lieber noch einen Kamillentee trank (O-Ton Bela: „So weit ist es gekommen"). „Radio brennt" gab es in der Beinahe-Endlos-Schleife, „Zitroneneis" spielten sie auf Wunsch eines Zuschauers (Bela „Als wir Zitroneneis schrieben, wurdest du erst gezeugt" - und beim nochmaligen Hinschauen fiel Bela auf, dass es auch Farins Sohn sein könnte…). Bei „Dinge, von denen" wurde Rod mal wieder zum Lachen gebracht, indem plötzlich Farin und Bela in Hasen- und Huhnkostümen um ihn herumtanzten und überhaupt war die ganze Show eine einzige Sause.
Ärzte-Konzerte hinterher zusammenzufassen fällt immer schwer. Man muss es einmal selbst erlebt haben, wie so eine dreiköpfige Band auf die Bühne kommt, drei Takte spielt und im Nu die ganze Meute von 45.000 Leuten in der Hand hat. Die können machen was sie wollen, das Publikum frisst ihnen aus der Hand, ob es die Schrei-La Ola ist, um die sie bitten, oder zur Not auch die Mittelfinger-La Ola (die in Berlin vor zwei Jahren übrigens bestens geklappt hat). Sie können uralte, völlig lächerliche Songs wie „Teddybär" (Bela: „Die Kronjuwelen meiner bisherigen Kompositionskunst") spielen und sie mit den (inhaltlich besseren) Liedern wie „Rebell" mixen. Und die Kölner Herzen gewinnt man mit dem Zeltlinger Cover „Müngersdorfer Stadion" (von Farin in Kölsch gesungen) wie im Sturm.
Sie würden sich immer noch so fühlen, als wären sie die Vorband, meinte Farin irgendwann am Abend. Dabei spielen die Ärzte in Deutschland schon lange in der gleichen Liga wie Stadionmonster wie U2 oder die Rolling Stones.
Ach, ich hab sie einfach gerne *lach*, die Ärzte gehören irgendwie zur Familie, ich bin mit ihrer Musik aufgewachsen, war todunglücklich, als sie sich damals trennten und hab gefeiert, als sie 1993 mit „Die Bestie in Menschengestalt" mit Rod zurückkehrten. Ich besitze jeden Pups, den die Herren veröffentlicht haben und auch, wenn mir nicht immer alles gefällt (bei deren Songausschüttung geht das ja auch nicht anders), ein Ärzte-Konzert lass ich mir nicht mehr durch die Lappen gehen.

Und die wichtigste (für mich) Info des Abends: mit einem neuen Album der Ärzte ist lt. Farin im Herbst 2007 zu rechnen. Da hat man doch mal wieder was, worauf man sich die nächsten Monate freuen kann.

Aber liebe Kölner, lasst Euch eines gesagt sein: Berliner feiern bei Ärzte-Konzerten definitiv besser! Hö!
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Setlist gibts auf der nächsten Seite
01. Schrei nach Liebe
02. Ein Lied für dich
03. Du willst mich küssen
04. Bravopunks
05. Hurra
06. Außerirdische
07. Ignorama
08. Komm zurück
09. Wie am ersten Tag
10. Deine Schuld
11. Yoko Ono
12. Teddybär
13. 1/2 Lovesong
14. Friedenspanzer
15. Der Graf
16. Radio brennt
17. Rettet die Wale
18. Blumen
19. Nichts in der Welt
20. Omaboy
21. Schunder Song
22. Punkbabys
23. Manchmal haben Frauen
24. Zitroneneis
25. Wie es geht
26. Rebell
27. Müngersdorfer-Stadion
28. Ist das alles
29. Geisterhaus
30. Mysteryland
31. Der lustige Astronaut
32. Teenager Liebe
33. Dinge von denen
34. Mach die Augen zu
35. Rock Rendezvous
36. Unrockbar
37. Westerland
38. Zu Spät
39. Dauerwelle vs. Minipli
40. Elke

6 Kommentare

  1. leider sehr ruckelig - aber ich kann mir vorstellen, wie toll die Atmosph�re dort gewesen sein muss! H�tte mir auch gefallen!!

    Die Halle sieht mit der Lightshow riesig aus. Mann, da musst du danach ja komplett heiser gewesen sein! :)

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  2. War im RheinEnergie-Stadion, nicht ganz so gro� wie das Berliner Olympia - aber fast. 45.000 Leute. Irre. Trotzdem fand ich, das 20.000 Berliner in der Wuhlheide mehr Krach gemacht haben *g*.
    Ja, ich war heiser, sogar gestern noch etwas. Bl�derweise kann ich ja auch fast alle Titel auswendig und hab dann diesen Mitsingdrang *lach*. Meiner Schwester hats auch gut gefallen und die ist jetzt nun nicht so der Riesenfan, sie mag halt ein paar Songs ganz gerne, sieht sie sich aber lieber live an - unter anderem eben wegen ihrer Bl�deleien.

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  3. Es gibt jetzt auch den mitschnitt online, das ganze konzert, inklusive ansagen, in relativ guter qualit�t kostenlos zu downloaden. link ist auf meinem blog :D

    eine schlimme metamorphose ist mit bela b vor sich gegangen: er trinkt live auf der b�hne kamillentee

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  4. Angeblich wollte Bela ja bloss mal probieren, was Farin da die ganze Zeit trinkt :)

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  5. Musik statt B�ller - und das weltweit - das f�nde ich gut.

    Toller Anfang - weiter so.

    Gruss rorahoch v corpXpress

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  6. Naja, ein klitzekleineskurzes Feuerwerk gabs dann doch um 00.00 Uhr - also nicht ganz konsequent. Aber ein Anfang ist gemacht :)

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