Montag, 10. Dezember 2012

Triggerfinger (Support: Antlered Man), Astra Berlin, 06.12.2012

Triggerfinger_CollageAls wir im Mai diesen Jahres bei der Ray Cokes ("Ray's Guesthouse") Tour Triggerfinger das erste Mal live erlebt haben (noch vor dem unsäglichen "I Follow Rivers" Hype), waren wir - Schwesterherz und ich - völlig geflashed. Die drei gespielten Songs im heruntergestrippten Akkustik-Gewand klangen einfach fantastisch, und das Trio da vorne auf der Bühne wirkte so herrlich tiefenentspannt, dass uns klar war, dass wir die Herren unbedingt wieder live sehen müssen. Nun gabs zwar im Verlaufe des Jahres ein paar Möglichkeiten in Berlin (ob Greenville Festival oder die Star FM Geburtstagsparty), und ich hatte lustigerweise rein zufällig das Glück, die Band in Wohnzimmeratmosphäre in London zu sehen, aber der 06.12.2012 war definitiv gesetzt.
Leider dann am Donnerstag ohne Schwester, die stattdessen traurigerweise auf Du-und-Du mit dem Glatteis in Berlin ging, dafür aber mit Kollegin, die ihrem fast jugendlichen Alter entsprechend noch sehr schwärmerisch veranlagt war, was aber wiederum sehr lustig und süß war.

Auf gings also ins Astra, und schon in der Schlange vor der Halle fiel auf, dass das Publikum ziemlich feminin war. Frauen zwischen 20 und 50, gerne in Cliquen, fanden sich ein - und man durfte sich die Frage stellen, ob denen überhaupt klar war, dass dies ein Rock- und kein Kuschelpopkonzert werden würde, da der Hit "I Follow Rivers" halt wirklich nicht zum typischen Soundgewand der Belgier passt, die vor allem mit härterem Bluesrock punkten und zu dritt enorm viel Lärm machen können.

Schon bei der Vorband zeigt sich dann das ein oder andere irritierte Gesicht. Denn die einfach nur fantastischen Antlered Man (ja, scheiß Bandname) rocken in ihrem halbstündigen Supportset das Astra heftigst. Mit einem Frontman, der aussieht wie der freundliche Steuerfachgehilfe von nebenan, auf der Bühne aber zum Rockbeast wird und einem Sound, der nicht in vorgefertigte Schubladen passt, ein bisschen Metal mit politischen Texten und einer Songdramaturgie, die bisweilen fast musicalesque rüberkommt. Als der Sänger dann auch noch eine Flöte rauspackt zur Verstärkung des harten Gitarrensounds, sind wir schlicht begeistert. Ich möchte mal sagen, das war einer der besten Support Gigs, den ich in den vergangenen Jahren gesehen / gehört habe, und das Album wurde sogleich am nächsten Tag gekauft. Kann ich nur empfehlen.

Triggerfinger selbst halten es auf der Bühne spartanisch. Da gibts nen völlig unsinnig gold glitzernden Vorhang und Instrumente. Mehr nicht, reicht auch. Anders als bei anderen Bands wird das Schlagzeug zentral gesetzt, so dass die drei Musiker schon rein optisch eine Einheit bilden. Nach einem kurzen Intro geht es mit dem leicht diabolischen "I'm Coming For You" gleich in die Vollen. Und man muss festhalten: die drei habens musikalisch einfach drauf. Ein charismatischer Sänger, der mit seinem sexy Image spielt, live tierisch bei Stimme ist und Unglaubliches mit seiner Gitarre anstellt, während er munter von irgendwelchen hohen Verstärkern oder Boxen hüpft, ein leicht durchgeknallter Drummer, der zwischendurch gerne den sympathischen Pausenclown gibt und der es als einer der Wenigen schafft, ein tatsächlich hörenswertes Drumsolo zu spielen, dazu ein talentierter, hünenhafter Bassist, der auf dem ersten Blick supercool und auf dem zweiten wie Papa Bear wirkt. Was folgt, ist nicht nur ein lautes, sondern vor allem ein abwechlungsreiches Set, bei dem die Titel des letzten Albums "All This Dancin' Around" im Fokus stehen (was ein klein wenig schade ist, denn sie spielen schon wieder nicht "Commotion", grrr).

Ob Blues- oder Stonerrock - tanzbar ist irgendwie alles, und die energiegeladene Darbietung steckt an. Schon nach wenigen Minuten kocht die Stimmung in der Halle, wird gekreischt (ich erwähnte die vielen Frauen) ohne Ende. Trotz ausverkauftem Astra haben wir alle relativ viel Platz zum Tanzen, das hauptsächlich weibliche Publikum ist jetzt nun nicht so Moshpit mäßig drauf, was aber auch mal angenehm ist. Am Ende schaffen wir es (im Gegensatz zu Köln, Hamburg und Frankfurt), die Band für zwei Zugaben-Sets auf die Bühne zu holen, die besonders ganz zum Schluss nach zwei Jahren Dauertour erschöpft aber glücklich wirkt. So kommen wir in den Genuss von drei Coverversionen (klar: "I Follow Rivers" - darf natürlich nicht fehlen, Rihannas "Man Down" und eine wunderbare Version von Neil Youngs "Driveby").

Neben dem wunderbaren Konzert machten Kollegin und ich noch die Bekanntschaft mit zwei wahnsinnig netten Mädels (Schwestern) aus Wismar. Mädels, solltet ihr das zufälligerweise lesen: wir waren einfach zu doof, um euch nach euren Facebook-Daten zu fragen. Es war eine Freude, mit euch zusammenzustehen, zu schwatzen und so viel Herzlichkeit zu empfangen. Ich hoffe, ihr hattet über das Konzert hinaus noch einen tollen Aufenthalt in Berlin, und über unseren Weihnachtswunsch sind wir uns ja alle einig *lach*. Ich bedauere, dass Kollegin und ich am nächsten Tag wieder früh im Büro sein mussten, sonst hätten wir noch gerne mit euch weitergefeiert.

Schaue ich mir mein Konzertjahr an - jetzt wo Triggerfinger dieses sozusagen beendet haben - so bleiben die Shows der norwegischen Kakkmaddafakka (wegen ihrer Frische und Experimentierfreudigkeit), der schwedischen The Hives (aufgrund der Conferencier-Fähigkeit des Sängers und seines Humors) und der belgischen Rocker (musikalisch einfach top und extrem sympathisch) am positivsten im Gedächtnis.

Gerade jetzt, wo ich lese, dass beispielsweise Muse für ihr Berlin Konzert 73 Euro pro Ticket nehmen, weil sie wieder die unglaublichsten Bühnenaufbauten mitbringen, muss ich nochmal festhalten, warum ich so gerne zu Konzerten gehe, nämlich weil ich schlicht die Bands erleben möchte, das Plus, welches mir fehlt, wenn ich nur die CD höre. Für knapp 20 Euro haben mir Triggerfinger genau das gegeben: talentierte Musiker, die ihre Lust an ihrem "Job" deutlich rüberbrachten, bei denen man spürte, dass sie sich gegenseitig schätzen und mögen, eine Einheit bilden und Spaß daran haben, jeden Abend gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Da reicht mir dann auch ein gold glitzernder Bühnenvorhang. Lieber das, als einen 1,50m großen Matt Bellamy (Muse) zwischen überlebensgroßen Bühnenaufbauten suchen zu müssen... *lach*.

Nun noch die Triggerfinger Setlist:
I'm Coming For You, On My Knees, Short Term Memory Love, Cherry, Let It Ride, My Baby's Got A Gun, All Night Long, Camaro, All This Dancin' Around, Drum Solo, All Night Long, First Taste, Is It
Zugabe1: I Follow Rivers (Lykke Li cover), Man Down (Rihanna cover)
Zugabe2: Soon, Driveby (Neil Young cover)

Wie immer hab ich versucht, mit meiner Kamera ein wenig Livestimmung einzufangen. Hier ein Video zu Antlered Man "Misruly Roo", und darunter sind Triggerfinger mit "Man Down" zu sehen.



Alles Weitere wie immer auf meinem kleinen, unprofessionellen YouTube-Kanal.

11 Kommentare

  1. Liebe Frau Flinkwert,

    ich finde ja, Sie haben ma�los untertrieben. Es war noch viel gewaltiger, als man es sich vorstellen konnte. Zwischendurch ist uns das Toupet weggeflogen.
    Und die sexyness von S�nger Ruben �berstrahlte doch wohl in der ersten Reihe (*Kreisch*) alles!
    hihihi

    Bei solchen Bands wie an diesem Abend vergisst man schnell, dass man eigentlich Angst vor einer gro�en Menschenmenge hat ;-)
    Es war ein wirklich cooler, gelungener Abend! Tolle Idee...
    Gr��e an die Schwester!!!

    M.

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  2. Gute Band, w�rde ich auch gern mal live sehen :)

    In Sachen Muse: 50 bis 90 Euro sind f�r Tier1-Bands mittlerweile leider �blich, da muss man Herrn B. nicht gleich 20cm kleiner machen, als er ist :). Die negative Preisentwicklung der letzten 15 Jahre hat ihren Ursprung in Deutschland (MP3s), weswegen ich mich mit Kommentaren in der Hinsicht generell zur�ckhalte.

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  3. 50 Euro w�ren auch nicht das Problem. Die damalige Steuererh�hung oder was das war, die dazu f�hrte, dass pl�tzlich jeder ausl�ndische K�nstler deutlich mehr Geld verlangte, h�ngt aber mit diesem Preis hier weniger zusammen, sondern vielmehr die Tatsache, dass Muse mittlerweile einen auf U2 machen und immer aufwendigere B�hnenkonstruktionen mit sich rum schleppen, die in der Anschaffung unglaublich teuer sind und �ber die Ticketpreise wieder reingeholt werden.

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  4. Hallo Frau Flinkwert,
    sch�ner Bericht, besonders die Euphorie f�r Bands und Musik gef�llt. Gefunden habe ich den Bericht, weil wir die Plattenfirma von ANTLERED MAN (warum ist das ein komischer Bandname?)sind und nat�rlich extrem erfreut sind, wenn wir sehen, dass sich unsere und vor allem die Bem�hungen der Band Gefallen und Fans finden!

    Die Jungs haben in der Tat noch nicht mal ihr Benzingeld bekommen, aber die Wochen mit TRIGGERFINGER genossen und in vollen Klubs um jeden Fan gek�mpft. Wenn man dann sowas liest, ist es ein gutes Gef�hl! Merci! und weiter so. Sch�nen Gruss, Arne / Noisolution

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  5. Ach, das ist aber ein netter Kommentar. Ich danke. Kollegin und ich sind Neu-Fans *lach*. Bei dem Namen stutzt man halt erstmal und fragt sich, wie das ausgesprochen wird, wenn mans einmal h�rt, ist es klar.

    Ja Mensch, dann zahlt den Jungs doch das Benzingeld, damit sie sich weitere Fahrten nach Berlin leisten k�nnen :)
    Liebe Gr��e

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  6. (Die deutsche Steuerpolitik ist aus meiner Sicht gar nicht mal das gro�e Problem, da sich Ticketpreise in anderen L�ndern (ca. 10), in denen ich bisher auf Konzerten war, auf einem �hnlichen Niveau bewegen oder sogar noch h�her sind. Das Problem sind eher die vielen Raubkopien, die Bands und Labels dazu bringen Erl�sausf�lle an anderer Stelle auszugleichen. Ich wunder mich immer ein wenig �ber die Leute in meinem Freundeskreis, die flei�ig MP3s laden und sich dann �ber die Entwicklung des Musikmarktes aufregen, �ber Mis(s)st�nde klagen, die sie durch ihren Diebstahl selbst mitverursachen.)

    LOL, das mit der Muse-B�hnenkonstruktion wusste ich noch gar nicht. Das Konzert im Admiralspalast, auf dem ich mit meiner Schwester war, fiel ziemlich spartanisch aus. Bellamy ist leider auch kein S�nger, der besonders viel Ausstrahlung besitzt oder sch�ne Ansagen macht, aber den Live-Sound sollte man einmal erlebt haben, finde ich. Das war ne ziemliche Granate :)

    Ansonsten gilt:
    http://youtu.be/7VSR4_tAYvw

    :) :)

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  7. Das im Admiralspalast war auch deutlich g�nstiger, hehe. Zwei Monate sp�ter kamen sie dann mit lauter Ger�sten in die o2 World, das war dann teurer und leider viel unpers�nlicher. Ich hab sie ja ncoh aus der Columbiahalle in sehr sehr guter Erinnerung.

    Ja. Was die Raubkopien anbetrifft, hast du nat�rlich Recht. Das ist schon mit ein Grund, warum Tickets so teuer sind, wobei ich halt schon manchmal glaube, dass dies zusammen mit der Steuerpolitik auch eine gerne genommene Ausrede f�r die Konzertveranstalter ist.

    Und warum schickst du mir jetzt dieses niedliche Katzenvideo? Oh Mann, das k�nnte ich nun in heavy rotation sehen.

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  8. Aber um auch nochmal auf Triggerfinger zu kommen: wenn sich die Gelegenheit f�r dich im n�chsten Jahr ergibt, hingehen, angucken, live sind die echt fantastisch.

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  9. Jaa, ich find Arenenkonzerte auch zu unpers�nlich, wenn man's nicht grad so sch�n wie Mama Monster oder Steffi von Silbermond macht :). Kleine Locations sind von der Atmosph�re her aber echt besser.

    Hihi, mit dem Katzenvideo sabotiere ich heute die deutsche Wirtschaftsleistung!! :)

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  10. jaja, das Katzenvideo landete auch schon bei der verehrten CDW, wie ich gesehen habe...

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