Montag, 24. September 2012

Calexico (Support: Laura Gibson), Huxley's Neue Welt, Berlin am 23.09.2012

DesktopHach ja, Calexico. Ich hab einige Lieblingsbands, zu deren Konzerten ich immer wieder gehe und in der Regel auch jedesmal begeistert bin, aber Calexico bleiben für mich etwas Besonderes. Warum - dazu gleich, erst einmal ein paar Worte zum sympathischen Support, der Künstlerin Laura Gibson und ihrer Band.

Brav steht sie da mit ihrer Brille, dem grünen Kleidchen und der Gitarre in der Hand, und irgendwie stelle ich mich schon auf betuliche Singer-/Songwritersongs ein, da ertönen diese wunderschönen Klänge. Ruhig sind ihre Titel zwar, aber sie werden getragen von einer wirklich ganz herrlichen klaren Stimme, die sich einem sofort in den Gehörgang gräbt. Und auch wenn mich nicht jeder einzelne Song überzeugen konnte, das dreißigminütige Set von Laura Gibson und ihren ebenfalls talentierten Musikern hat mich ziemlich beeindruckt. Eine gewisse klangliche Nähe zu Calexico ist vorhanden, vielleicht ist der Countryeinfluss noch größer, das weiß ich genauer, wenn ich mir mal ihr aktuelles Album kaufe. Aber die gestern gehörten Titel machten in jedem Fall Lust auf mehr. Auch die Tatsache, dass sie zu den bodenständigeren, netten Künstlerinnen gehört, die sich über die Sympathiebekundungen des Publikums offen freute, machte ebenso Laune.

Eine halbe Stunde Umbaupause, Calexico machen da keine Mätzchen, und damit es immer schön schnell geht, kann man gerne auch mal die Bandmitglieder beobachten, wie sie selbst Hand anlegen und mit den Roadies gemeinsam auf der Bühne stehen. Gestern war es John Convertino, der schon mal entspannt sein Schlagzeug einstellte, während um ihn herum noch Kabel verklebt wurden. Früher hab ich auch mal Joey Burns erlebt, der die Handtücher und Wasserflaschen auf die Bühne trug. Ich weiß nicht, ich finde das einfach total sympathisch, und für mich ist das ein Zeichen, dass hinter den Kulissen zwischen Band und Crew Harmonie herrscht.
So kommt die Truppe dann auch ohne großes Brimborium raus, kein Intro, kein Nebel, einfach ein Haufen talentierter Musiker. Zu siebt sind sie diesmal, ich mag es ja generell, wenn große Bühnen entsprechend bevölkert werden. Eröffnet wird mit "Fortune Teller", und für den restlichen Abend wechseln sich ruhige Songs mit Mariachi-Schmetterern ab. Mal verträumt die Augen schließen, mal hingerissen dem Rhythmus folgend mittanzen.

Dabei verzichtet die Band darauf, ihr Set mit lauter Gassenhauern anzureichern, auf die sie mittlerweile zurückgreifen können. Sicher hätte ich "Crystal Frontier" oder "Ballad of Cable Hogue" - um nur einige zu nennen - gestern gerne wieder gehört, aber so hat mir das Set eigentlich sogar noch besser gefallen. Sowas wie "Alone Again Or" oder "Across the Wire" gabs natürlich auf die Ohren, und als letzte der (ersten) Zugabe bietet sich immer wieder "Guero Canero" an, ein herrlich simpler Song, den man wunderbar in die Länge ziehen und damit jeden Zuschauer glücklich machen kann. Ansonsten bietet sich aber eine schöne Mischung aus ihrem ganzen Schaffenswerk und einigen Titeln aus dem neuen Album "Algiers", welches erst kürzlich erschienen ist. Wie mit dem Opener beschließen Calexico ihr Set mit einer ruhigen Nummer, "The Vanishing Mind", der zweiten Zugabe übrigens, denn Calexico - die es auch immer als Selbstverständlichkeit sehen, mit ihrem Support einen Song gemeinsam zu performen (diesmal eine entschleunigte Version von Leonard Cohens "Waiting For The Miracle") - gehören zu den wenigen Bands, die tatsächlich nach dem "Pflichtteil" zweimal zur Kür antreten.

Was mich immer wieder umhaut ist Joey Burns' Gesang, ich glaube, von allen Künstlern, die ich schon live hab singen hören, zählt er zu den sichersten Vokalisten. Da sitzt nicht ein Halbton schief, klar und rein, egal ob leise croonend oder aus vollem Hals singend. Dazu kann man tatsächlich jedes Wort verstehen, trotz der hundert Instrumente drum herum. Und das hat nichts mit Akkustik, Location etc. zu tun, habe die Band nun in vier unterschiedlichen Venues gesehen und das jedesmal erneut festgestellt. So wie Burns live singt, kann man das sofort auf CD pressen, ohne dass da irgendwer den Gesang noch am Mischpult bearbeiet. Der Mann vernuschelt nix, sondern hat halt wirklich was drauf.

Die Stimmung und Atmosphäre im Huxley's war entsprechend des harmonischen Sets total entspannt. Das Zielpublikum scheint sowieso eher so "um die Vierzig" zu sein, das sind keine Leute mehr, die es nötig haben, sich in der Halle wie 15jährige zu verhalten und rumzudrücken und -zunerven. Insofern hatten wir alle genügend Platz zum mittanzen und -wippen. Zwischen den Songs wurde die Band richtig schön abgefeiert, was auch Joey Burns nicht entgangen ist, der in mitunter ziemlich gutem Deutsch seine Ansprachen ans Publikum hielt, sich auch zum Schluss bei irgendwie jedem bedankte, der/die auch nur ansatzweise was mit der Tour zu tun hat *lach*.

Ein echt schöner Abend mit Musik, die in ihrer Mischung aus Pop, Rock, Folk, Country, Mariachi wechselnd zwischen großen Gefühlen, politischen Texten und purer Lebensfreude schlichtweg einzigartig bleibt.
Und eine Band, deren begeistert aufspielende Mitglieder allesamt so unglaublich sympathisch rüberkommen, dass man ihnen ohne Nachzudenken die eigene Wohnung überlassen würde.

Eine Setlist kann ich nicht liefern, aber das eine oder andere Video. Hier beispielsweise der Abschlusstitel "The Vanishing Mind".

Sonntag, 16. September 2012

Graham Coxon, Postbahnhof Berlin, 14.09.2012

P1030293Juhu, der Konzertherbst geht wieder los. In den nächsten Monaten gibts so einige Gigs, auf die ich mich richtig freue. Den Anfang machte am Freitag Abend Graham Coxon im Berliner Postbahnhof.
Mal abgesehen davon, dass Coxon immer mein Blur-Liebling war, mag ich seine Soloalben sehr gerne. Auch das neue - "A+E" ist klasse und läuft auf meinem iPod rauf und runter.

Coxon twitterte noch am Nachmittag Fotos vom Postbahnhof-Strand, daher war ich relativ überrascht, als ich um 18:50 - zehn Minuten vor offiziellem Beginn des Konzersts - keine Menschenseele dort gesehen habe, normalerweise stehen ja Leute irgendwie vor dem Eingang rum, ich dachte daher schon, dass es kurzfristig abgesagt worden wäre und war bereits am Schmollen. Aber nein, in der Halle befanden sich ganze acht Leute und draußen im Innenhof an den Tisch vielleicht nochmal 15 oder so. Ich erfuhr, dass der Support (wer auch immer das hätte sein sollen) abgesagt hat, daher war noch ein bisschen Warten angesagt und die Hoffnung, dass sich der Raum (die kleinere Hallenversion im Postbahnhof, also der erste Raum, wenn man reinkommt) sich noch ein wenig füllen würde.

Als Coxon mit seiner hochsympathischen Band irgendwann gegen viertel vor acht auf die Bühne kam, war die kleine Halle gerade mal zur Hälfte gefüllt. Und andere Musiker hätten vielleicht beleidigt lustlos ihr Programm abgespult, um schnell wieder von der Bühne verschwinden zu können. Aber nicht die Jungs und Mädels hier. Eher im Gegenteil, die Musiker blieben gelassen und nahmen das Ganze mit Humor. Das überschaubare Publikum blieb den ganzen Abend über Stichwort für Coxons kleine Scherze.

Mit "Advice" und "Spectacular" ging es gleich in die Vollen, ich habe auf der Bühne sechs Saiteninstrumente (fünf Gitarren und ein Bass) gezählt, die man auch deutlich hörte und spürte. Sehr schön. Coxon wechselte schön zwischen älteren und neuen Songs hin und her, spielte ein sehr schönes The Nerves Cover ("When You Find Out") sowie ein oder zwei bisher unveröffentlichte Songs, z.B. das sehr angenehme "Billy Says". Meine Highlights waren u.a. sicher "Running For Your Life" vom neuen Album, "Seven Naked Valleys" und die "Sorrow's Army" Version, die als letzte Zugabe gespielt wurde, die war schon wirklich der absolute Hammer. Er selbst taute irgendwann nach dem dritten oder vierten Song auf und entpuppte sich dann als leicht schüchterner Charmer, der viel und gerne mit dem Publikum geschwatzt und gescherzt hat. Absolut liebenswert und sympathisch, wie im Übrigen auch die gesamte Band sehr nett rüberkam.

Stimmungstechnisch war es sicher einfach zu leer, als dass da jetzt sonstwas abgegangen wäre. Wir hatten schlicht alle "zu viel" Platz und standen bzw. tanzten eher entspannt zur Musik, was ich aber auch irgendwie sehr angenehm fand, das fühlte sich wie ne Party im eigenen Wohnzimmer an.
Schöner Abend!

Die genaue Setlist hab ich zwar nicht, aber ich meine, dass sich die Auswahl und Reihenfolge der Songs kaum von dem Kopenhagener Gig, welcher sich auf Setlist.fm finden lässt, unterscheiden, daher seien diese Titel hier mal reinkopiert:

Advice / Spectacular / I Can't Look At Your Skin / Standing On My Own Again / City Hall / The Truth / Running For Your Life / What'll It Take To Make You People Dance / Billy Says / When You Find Out / Bottom Bunk / You & I / Girl Done Gone / Ooh Yeh Yeh
Zugaben: Seven Naked Valleys / All Over Me / No Good Time / Freakin' Out / Sorrow's Army

Und zuguterletzt noch ein Video mit "Billy Says" (auf YouTube gibts von mir noch "Running For Your Life" und "Spectacular"):