Mir bisher völlig unbekannt, bin ich nach dem halbstündigen Set zum Fan dieser schwedischen Band geworden, deren zierliche Frontfrau über eine tolle Livestimme verfügt, auch auf dem aktuellen Gorillaz-Album mitgewirkt hat und somit auch später mit dem Hauptact auf der Bühne stand. Hier ein Song-Beispiel ihres aktuellen Albums.
Die "Umbaupause" - sofern man das überhaupt so nennen kann - vor den Gorillaz war kurz, mit einem kleinen Comic-Einspieler von Jamie Hewlett und danach "Welcome to the Plastic Beach" mit einem Snoop Dogg leider nur auf der Leinwand (mann, wäre das cool gewesen, wenn der dort gewesen wäre). Als die Band auf die Bühne kam, traute man fast seinen Augen nicht. Ich glaube, selbst ohne Gastmusiker müssen da 20 Menschen gestanden haben. Neben lebenden Legenden wie Mick Jones, Paul Simonon (beide Ex-Clash) gab es eine Streichersektion mit ungefähr 5 oder 6 Damen, eine Bläsersektion"Hypnotic Brass Ensemble", zwei Schlagzeuger, vier Backgroundsänger, und und und. Allein diese Anzahl an Menschen lässt einen schnell vergessen, dass im Hintergrund der Bühne eine riesengroße Leinwand nicht nur die bekannten Gorillaz-Videos/Comics zeigt, sondern auch unterschiedliche Impressionen - jeweils zu den Songs passend. Die Gastmusiker geben sich das Mikro in die Hand, Bobby Womack darf zweimal ran und besticht durch seine Hallenfüllende Stimme, De La Soul und Little Dragon sind mit an Bord, Neneh Cherry ist da und kommt stimmlich leider fast kaum zur Geltung, Rosie Wilson leiht ihre mächtige Stimme für 19/2000 und Dare, diverse andere Rapper, deren Namen ich googlen müsste. Und über allem thront Damon Albarn, der Zeremonienmeister des Abends, der immer noch aussieht wie ein Pennäler, der die Fäden zusammenhält, den Hauptanteil der Songs gesanglich bestreitet und richtig "ackert" auf der Bühne, am liebsten überall gleichzeitig sein will, wenn es der Beat erlaubt, die irrwitzigsten Luftsprünge vollzieht, sich aber trotzdem nie in den Vordergrund stellt. So verrückt das klingen mag, aber all diese Musiker, die in den unterschiedlichsten Genres zuhause sind, aus aller Ecken Länder kommen und im wahrsten Sinne des Wortes bunt zusammengewürfelt sind, bilden eine homogene Einheit. Und dies ist auch in der Musik zu hören. Ich war zuvor unsicher, ob sich der Gorillaz Sound auch im Konzert gut anhören würde, und meine Zweifel wurden sofort zerstreut. Dieses Sammelsurium an Musikstilen ist live eine wahre Offenbarung, man nimmt die Klangvielfalt noch viel besser wahr als beim Lauschen der Alben. Und es verwundert wieder und wieder, dass alles so gut harmoniert und nicht in einem Musikmus untergeht. An dieser Stelle sei allerdings auch die fantastische Akkustik im Velodrom erwähnt, das ist eine der wenigen Hallen Berlins, wo man selbst aus dem Johlen/Klatschen/Pfeifen der Fans noch einzelne Töne mit dem Ohr herausfiltern kann. Und was für ein Klangteppich, als die Gorillaz vor der Zugabe für wenige Minuten die Bühne verließen! Man stelle sich die begeisterten Fans in der Columbiahalle vor einem Jahr bei Them Crooked Vultures vor und multipliziere das mit 3...
Meine Highlights waren sicher die syrische Folklore Band aus Damaskus, die von den ca. 12.000 Berliner tierisch bejubelt wurden, und Songs wie Dare, On Melancholy Hill, Superfast Jellyfish und in den Zugaben dann natürlich Feel Good Inc und Clint Eastwood. Eine Setlist kann ich nicht liefern, ich nehme aber an, dass die Reihenfolge der Songs sich von Ort zu Ort nicht sonderlich unterscheiden wird, insofern kann man mal HIERAUF einen Blick werfen, das ist die Setlist vom Konzert in Brighton.
Shaun Ryder hat ja im Übrigen das britische "Dschungelcamp" der Gorillaz-Tour vorgezogen, ich bin mir ziemlich sicher, so bejubelt wird er da nicht!
Spiegel Online hat heute einen sehr schönen Artikel zum Konzert ins Netz gestellt, da wird eigentlich alles gesagt, was man wissen muss (Zitat anklicken für den kompletten Bericht).
Zombies, Ufos und Piraten: Bei ihrem einzigen Deutschland-Auftritt boten die Gorillaz eine bombastische Show, gespickt mit allen Stilrichtungen, welche die Popkultur jemals hervorgebracht hat. Erstaunlich, wie die britische Band es meistert, die unzähligen Referenzen nicht zerfasern zu lassen.
Insgesamt war das ein wirklich perfekter Abend musikalisch und visuell, und man hat das Velodrom mächtig beeindruckt verlassen, glücklich darüber, dass man beim einzigen Deutschlandkonzert der Band dabei sein durfte. Übrigens ist auch nachvollziehbar, warum keine ausgiebige Tour stattfindet, wenn man bedenkt, dass man locker bis zu 40 Musiker unter einen Hut bringen musste. Das ist ja eine logistische Herausforderung sondergleichen. Und vielleicht höre ich mir das Plastic Beach-Album demnächst mit "neuen Ohren" an und finde es dann weniger sperrig.
Und es gibt natürlich schon die ersten Videoschnipsel auf YouTube, zwei Beispiele: